Den Katholikentag mit anderen Augen sehen
Trotz Dauerregen war es ein gelungener, froher Besuch auf dem Katholikentag für die Teilnehmergruppe der Regensburger Offenen Behindertenarbeit. Konrad Kett (rechts) und ein Team von Kollegen und Helfern haben ihn ermöglicht.
Nur etwa 340 der insgesamt 30 000 Dauerteilnehmer des Katholikentages sind Menschen mit Behinderung. Aber viel mehr besuchen Regensburg in diesen Tagen in kleinen Gruppen oder als Tagesbesucher. Der Katholikentag ist eine barrierefreie Veranstaltung, das heißt: Menschen mit körperlichen Einschränkungen sollen alle Angebote ohne Hindernisse nutzen können. Gewährleistet wird dies zum Beispiel durch Rollstuhlrampen oder Gebärdendolmetscher auf den Bühnen. Doch auch Kleinigkeiten machen den Katholikentag barrierefrei. Angelika Zuckschwert hat mit einer Gruppe der Offenen Behindertenarbeit (OBA) des Regensburger und benachbarter Caritasverbände den Katholikentag besucht. Für die junge Frau ist dieser Ausflug etwas ganz Besonderes: denn Angelika sitzt im Rollstuhl und ist blind. Sie erlebt das Glaubensfest - durch ganz andere Augen und mit ihren Ohren.
Der Regen beim Eröffnungsgottesdienst ist wieder stärker geworden. Ein paar Helfer haben große Plastikplatten ausgelegt. Sie sollen Rollstuhlfahrern auf der matschigen Wiese besseren Halt geben. "Die haben hier wirklich an alles gedacht", stellt Konrad Kett, Referent für Offene Behindertenarbeit der Caritas Regensburg, fest. Er und seine etwa 15-köpfige Gruppe stehen im Sportstadion der Universität und erwarten gespannt den Gottesdienst. Angelika Zuckschwert gehört zur Gruppe und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie wird in ihrem Stuhl über die Platten geschoben. So erreicht sie zügig den eigens reservierten Bereich direkt vor der Bühne. "Die ergreifende Messe und die Helfer haben mich toll unterstützt", sagt sie nach dem Gottesdienst. Angelika nimmt die Hand eines ihrer Betreuer. "Sie erklären mir, was auf der Bühne gezeigt wird. Das verbinde ich dann mit dem, was ich hören kann", sagt sie. Konrad Kett schaut auf die Uhr. Jeden Augenblick kommt der behindertengerechte Kleinbus, der Angelika und die Gruppe in die Altstadt bringt.
Gute Laune trotz Dauerregen: Teilnehmer der Gruppe der Regensburger Offenen Behindertenarbeit beim Katholikentag auf dem Caritas-Platz.Fabian Kutz, burcom Regensburg
Das Tagesprogramm der OBA-Gruppe auf dem Katholikentag ist bunt. Nach dem Eröffnungsgottesdienst steht zunächst ein Besuch der Caritas-Bühne auf dem Neupfarrplatz auf dem Plan. Dort steht ein Theaterstück zum Thema Inklusion auf dem Programm. Darsteller sind Menschen mit und ohne Behinderung. "Einige von den Schauspielern sind gute Freunde unserer Teilnehmer. Deshalb wollen wir das Stück natürlich unbedingt sehen", sagt Kett. Ein paar Bekannte von Angelika stehen auch auf der Bühne. Konrad Kett flüstert Angelika Informationen zum Theaterstück ins Ohr, die sie nicht sehen kann. "Früher konnte ich sehen", sagt sie. "So kann ich mir jetzt vieles ganz gut vorstellen." Vielleicht stellt sie sich die Brücke auf der Bühne etwas größer oder kleiner vor als sie wirklich ist. Aber die Bilder in ihrem Kopf sind ganz klar und deutlich.
Der Regen hat endlich etwas nachgelassen. Angelikas Regenmantel ist trotzdem vollkommen durchnässt. Ihrer guten Laune am heutigen Tag tut dies aber keinen Abbruch. Die OBA-Gruppe steht gerade an der Bühne am Kassiansplatz. Eine Trommlergruppe aus Brasilien bringt die Zuhörer zum Mitwippen und Tanzen. "Das ist mein persönliches Highlight. Sehen ist hier nicht wichtig. Ich muss nur zuhören, wie jeder andere auch", freut sich Angelika. Ein paar Teilnehmer der Gruppe wollen den Katholikentag kurz auf eigene Faust erkunden. Konrad Kett vereinbart einen zentralen Treffpunkt: die Caritas-Bühne am Neupfarrplatz.
Angelika ist kurz aus dem Rollstuhl aufgestanden. "Ich muss mich auch mal etwas bewegen, obwohl ich mit den Rollstuhl überall hinkomme", sagt sie mit einem Lächeln. Mobile Rampen und zahlreiche freiwillige Helfer geben den Katholikentagsbesuchern mit Behinderung die nötige Unterstützung, um alle Stände, Zelte und Plätze barrierefrei zu erreichen. Gegen 17 Uhr treffen sich alle OBA-Teilnehmer noch einmal vor der Caritas-Bühne. Selbstverständlich ist auch die Bühne barrierefrei; zwei Rampen ermöglichen den Zugang für Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Gerade betet eine Theatergruppe mit Bildern und Gebärden das "Vater Unser". Sie stellen szenisch Worte wie "Brot", "Kraft" oder "Herrlichkeit" dar. Angelika bekommt wieder die wichtigsten Informationen zugeflüstert. Den Rest stellt sie sich vor ihrem inneren Auge vor.
Der Regen hat nun endlich ganz aufgehört. Konrad Kett organisiert schon wieder: Die Teilnehmer müssen schließlich ihre Züge nach Hause erreichen oder werden zu bestimmten Zeiten abgeholt. Angelika ist geschafft: "Ich bin froh, dass die Caritas für uns den heutigen Tag organsiert hat. Ich möchte allen Helfern danken", sagt sie mit ernsthafter Stimme. Angelika verabschiedet sich von jedem Teilnehmer persönlich, bevor es wieder im Rollstuhl sitzend nach Hause geht.
Zusatzinfo: Der Fachdienst Offene Behindertenarbeit (OBA) der Caritas Regensburg bietet Menschen mit Behinderung und ihren Angehörigen Beratung, ambulante Hilfen und Kontaktmöglichkeiten und steht derzeit mit etwa 150 Familien regelmäßig im Kontakt. Die OBA bietet unterschiedliche Angebote für junge und ältere Menschen mit Behinderung an. Vom Museumsbesuch, über Ausflüge bis hin zur Hilfe bei der Pflege - die Offene Behindertenarbeit der Caritas Regensburg unterstützt in jeder Situation. Mehr dazu: www.caritas-regensburg.de/oba